
Gratulierten Guy Stern zum 100. Geburtstag (v. l.): Prof. Bettina Kluge, Dr. Rainer Zirbeck, Prof. Wolfgang Christian Schneider (beide Stiftung Universität Hildesheim), Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer, Dr. Hartmut Häger, Rolf Altmann, Dr. W. Georg Olms und Hans-Jürgen Bertsche.
Der Weltbürger Professor Guy Stern feiert am 14. Januar seinen 100. Geburtstag.
Als Geburtstagsgeschenk für ihn alsHildesheimer Ehrenbürger und Ehrenmitglied ihrer Vereine haben Rolf Altmann und Hans-Jürgen Bertsche für Eintracht Hildesheim sowie Dr. Hartmut Häger und Dr. Rainer Zirbeck für den Verein der Ehemaligen und Freunde des Scharnhorstgymnasiums eine Festschrift herausgegeben, die mit dem Titel „Guy Stern und Hildesheim – Bewegende Begegnungen“ im Georg Olms Verlag erscheint.
Die Herausgeber haben darin 25 Beiträge veröffentlicht, deren Autorinnen und Autoren sich an Begegnungen mit Guy Stern erinnern und damit ein facettenreiches Bild seiner Persönlichkeit und seines Wirkens zeichnen. Im Fokus steht die Verbundenheit des Jubilars mit seiner Heimatstadt Hildesheim, die er trotz der Vernichtung seiner Familie durch die Nationalsozialisten vielfältig und intensiv pflegt. Auch die Erzählungen von Guy Sterns Reden im niedersächsischen und bayerischen Landtag oder von Besuchen in Braunschweig oder in Baden-Württemberg stehen in Beziehung zu Hildesheim.

Guy Stern, Ehrenbürger der Stadt Hildesheim, feierte in Detroit (USA) seinen 100. Geburtstag.
Hildesheims Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer leitet das Buch mit einem Grußwort ein und gratulierte dem Jubilar unter anderem im Rahmen eines Empfangs anlässlich der Vorstellung der Festschrift im Hildesheimer Rathaus. Dr. Meyer betont darin insbesondere die Bedeutung der Ehrenbürgerschaft Guy Sterns, die diesem 2012 verliehen worden war, für seine Heimatstadt, zu der er sich trotz despersönlichen Schicksals eine positive Haltung bewahrt habe: „Es wäre wohl für die meisten Menschen gut nachvollziehbar gewesen, hätte Guy Stern nach dem traumatischen Verlust und den schlimmen Erlebnissen in seiner frühen Jugend der Stadt für immer den Rücken gekehrt. Doch er entschied sich anders und hat – sicherlich auch nach einiger Zeit, die es brauchte – die Verbindung zu seiner Heimatstadt wieder neu aufgebaut und sich mit ihr gewissermaßen versöhnt. Mehr noch: Er pflegt heute zahlreiche Kontakte, sogar Freundschaften in unsere Stadt.“ Davon profitiere die Stadt Hildesheim, insbesondere auch die jüngere Generation, mit der er sich gerne austausche, auch bei seinen Besuchen: „Bei Vorträgen und Lesungen gibt er Einblicke in sein Leben und damit in das dunkelste Kapitel unserer Geschichte. Und gleichzeitig stellt er immer wieder auch Bezüge zur Gegenwart her. So tritt er als scharfer Kritiker rechtspopulistischer Bestrebungen auf, macht als Zeitzeuge und Wissenschaftler auf Analogien zu historischen Unrechtsstrukturen aufmerksam und wird nicht müde, vor neuen Formen des Nationalismus zu warnen.“ Die Stadt Hildesheim sei Guy Stern zu großem Dank verpflichtet. „Es ist bemerkenswert, mit welch’ Scharfsinn, aber eben auch – und trotz allem – mit wie viel Humor er die Welt um sich herum und die Zeit, in der wir uns befinden, betrachtet. Von dieser Sichtweise profitieren wir alle. Es ist immer wieder unfassbar bereichernd, Guy Stern zu treffen. Er ist ein wahres Vorbild und ich freue mich sehr auf ein baldiges Wiedersehen mit ihm“, so der Oberbürgermeister, am Ende seines Grußworts. Dr. Meyer dankte den Herausgebern der Festschrift und allen daran Beteiligten für ihrEngagement.
Die Herausgeber stehen in der Tradition eines Vereins und einer Schule, die den damaligen Günther Stern als Juden aus ihren Reihen ausgeschlossen haben. Ihr Buchgeschenk ist gleichermaßen Ausdruck von Scham für das ihm in Hildesheim zugefügte Leid, Dankbarkeit für seine Versöhnungsbereitschaft, mit der er die Ehrenmitgliedschaft ihrer Vereine angenommen hat, Anerkennung für sein inspirierendes Lebenswerk und Freundschaft mit ihm und seiner Frau Susanna Piontek.
Der Jubilar selbst konnte aufgrund der Pandemie nicht persönlich am Empfang in seiner Heimatstadt teilnehmen, war aber in Form eines ein paar Tage zuvor aufgezeichneten Videogesprächs mit den vier Herausgebern, die virtuell die Festschrift übergaben, präsent. Guy Stern zeigte sich nicht nur von der imposanten Aufmachung der Festschrift beeindruckt, sondern insbesondere auch von der alle Beiträge prägenden Haltung zu seiner Person und den von ihm vertretenen Werten. So etwas sei in Anthologien in dieser Stringenz selten zu finden. Am Ende der Videobotschaft teilt der in Detroit lebende Literaturwissenschaftler die Hoffnung der Herausgeber der Festschrift, die zudem mit Unterstützung einiger Institutionen einen Guy Stern-Freundeskreis gründen möchten, auf ein Wiedersehen in Hildesheim. Das Video mit Guy Stern wird unter www.hildesheim.de sowie www.eihi.de veröffentlicht.
Die Herausgabe des Buches förderten der Sportverein Eintracht Hildesheim von 1861, der Verein der Ehemaligen und Freunde des Scharnhorstgymnasiums, die Universitätsgesellschaft Hildesheim, die Stiftung Universität Hildesheim, die Stadt Hildesheim und der Georg Olms Verlag.
Anlässlich des 100. Geburtstages Guy Sterns findet darüber hinaus am 18. Januar ein digitaler Festakt desDeutschen Exilarchivs 1933-45 der Frankfurter Nationalbibliothek und des PEN Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland statt. Im Rahmen dessen werden zwei weitere Publikationen anlässlich des Jubiläums des Hildesheimer Ehrenbürgers vorgestellt:
Guy Stern: Wir sind nur noch wenige – Erinnerungen eines hundertjährigen Ritchie-Boys,übersetztvon Susanna Piontek, Aufbau Verlag
Frederick Lubich / Marlen Eckl (Hg.): Von der Exilerfahrung zur Exilforschung – Zum Jahrhundertleben eines transatlantischen Brückenbauers. Festschrift zu Ehren von Guy Stern, Verlag Königshausen & Neumann
Zur Festschrift von Frederick Lubich und Marlen Eckl hat Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer ebenfalls ein Grußwort beigesteuert.
Guy Stern wurde am 14. Januar 1922 in Hildesheim als Günther Stern geboren. 1937 konnte er mit Hilfe einer amerikanischen Frauenorganisation zu seinem Onkel in die USA emigrieren. In den USA besuchte er die Schule, meldete sich dann freiwillig zum Kriegsdienst und landete als einer der berühmten „Ritchie Boys“ 1944 in der Normandie. Erst bei seiner Rückkehr nach Hildesheim, als Soldat der US-Armee, erfuhr er, dass seine gesamte Familie von den Nationalsozialisten ermordet worden war. Guy Stern kehrte in die USA zurück, studierte dort Germanistik, wurde Germanistik-Professor und leistete grundlegende Beitrage zur Exilliteraturforschung. Bis heute ist er am College of Liberal Arts and Sciences der Wayne-State-University und am Holocaust Memorial Center in Farmington Hills, Michigan, aktiv.
Fotos: ©Stadt Hildesheim