Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer (3. v. r.) überreichte dem Verein Aktion Tschernobyl-Hilfe den „Hildesheimer Friedenspreis 2023“.

Am Mittwoch, 22. März, erinnerte die Stadt Hildesheim in der Bürgerkirche St. Andreas an die Zerstörung der Hildesheimer Innenstadt durch die alliierten Luftangriffe am 22. März 1945 und nahm zu diesem Anlass bereits zum siebten Mal unter dem Titel „Hildesheimer Friedenstag“ die Wahrung des Zusammenhalts und des Friedens in der Gesellschaft in den Blick. Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer erinnerte an die Angriffe der Alliierten, die Europa vom Faschismus befreiten und beschrieb die Ambivalenz der Kriegszeit in Hildesheim:

 

„Auch Hildesheim hat all die dunklen Seiten dieser Zeit gesehen. Auch in unserer Stadt wurde den Nationalsozialisten euphorisch zugejubelt. Auch hier sind jüdische Einrichtungen geplündert worden, sind Jüdinnen und Juden durch die Straßen getrieben worden. Ebenso haben in unserer Stadt aber auch Menschen Widerstand geleistet und sich entschlossen gegen das Regime gestellt. Und in unserer Stadt sind auch Menschen durch Bomben gestorben, die ihnen eigentlich Freiheit hätten bringen sollen. Diese Ambivalenz zu durchdringen ist nicht einfach, gerade an einem Tag wie heute. Es ist aber wichtig, dass sie durchdrungen wird. Denn nur so ist es möglich, die Schrecken des Nationalsozialismus zu verurteilen und gleichzeitig um die Opfer des 22. März 1945 zu trauern.“

In diesem Jahr hat der Hildesheimer Friedenstag besondere Aufmerksamkeit auf die Situation in der Ukraine gerichtet: „Die großen Kriege in Europa haben gezeigt, wohin Nationalismus, Überheblichkeit und Großmachtstreben führen können. Aber es war offenbar ein Irrglaube, zu denken, dass europäische Länder seither immun gegen imperiale Gedanken wären.“ Mit Blick auf den Angriffskrieg auf die Ukraine konstatierte er: „Und nun stehen wir alle fassungslos und leider auch weitgehend machtlos da und stellen uns Fragen, die wir uns lange nicht bzw. noch nie so direkt gefragt haben: Wie weit kann Diplomatie gehen? Was können Sanktionen wirklich ausrichten? Wie ernst sind Drohungen mit Atomwaffen zu nehmen? Und vor allem: Ist es legitim, einen Krieg im Zeichen des Friedens zu führen und – auch schwere –Waffen in ein Kriegsgebiet zu liefern?“

Eindrücklich schilderte Rita Limmroth die Lage in den umkämpften Gebieten in der Ukraine. Als Vorsitzende nahm sie den „Hildesheimer Friedenspreis“ entgegen, der in diesem Jahr an den Verein Aktion Tschernobyl-Hilfe übergeben wurde. Der Verein setzt sich seit über 30 Jahren für die medizinische Versorgung in der Ukraine ein. Gegründet, um die Hilfe der Opfer der Nuklearkatastrophe in Tschernobyl zu unterstützen, richtete sich das Engagement besonders auf die medizinische Hilfe, insbesondere für Kinder. Hierzu gehören Schulungen für medizinisches Personal und die Einrichtung von Untersuchungs- und Operationsräumen in ukrainischen Krankenhäusern. Aktuell widmet sich der Verein auch der Kriegsopfer durch professionelle Hilfstransporte, aber gleichzeitig der Behandlung kranker Kinder, die als Binnenflüchtlinge in einer komplett eingerichteten Kinderklinik behandelt werden. In den letzten zwölf Monaten konnten 21 Sattelschlepper mit wichtiger Hilfe unter anderem für ukrainische Krankenhäuser, aber auch Lebensmittel, Generatoren und Wasserfilter für die Bevölkerung geschickt werden.

 
Stellvertretend für die Auswahljury begründete Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer die Auszeichnung: „Der Verein Aktion Tschernobyl-Hilfe engagiert sich von Hildesheim aus seit über 30 Jahren vor allem für kranke und hilfsbedürftige Menschen in der Ukraine. Seit Ausbruch des Kriegs vor einem Jahr ist diese Hilfe noch dringender geworden. Die Mitglieder des Vereins, die allesamt ehrenamtlich tätig sind, sind in dieser dramatischen Zeit noch einmal über sich hinausgewachsen. Mit dem Hildesheimer Friedenspreis soll ihre wichtige Arbeit gewürdigt und noch bekannter gemacht werden.“ Neben dieser Auszeichnung durfte sich der Verein auch über eine finanzielle Anerkennung freuen: Der Hildesheimer Friedenspreis ist mit einem Preisgeld in Höhe von 3.000 Euro dotiert. Möglich ist diese Dotierung dank der jährlichen Spende eines Hildesheimer Ehepaars, das – ebenso wie ein weiterer Hildesheimer Spender – auch die Veranstaltung des Hildesheimer Friedenstags unterstützt. Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer zeigte sich für beide Spenden außerordentlich dankbar und machte deutlich, dass die Umsetzung anders kaum möglich wäre.

Auch die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Dr. Katarina Barley, die in diesem Jahr die Hildesheimer Friedensrede hielt, ging auf den russischen Angriffskrieg ein. Klarer Adressat für die Forderung nach Frieden müsse Wladimir Putin sein: „Frieden haben wir erreicht, wenn Einigkeit darüber herrscht, dass Grenzen unverletzbar sind, dass wir verhandeln und nicht überfallen. Dieser Grundsatz ist in vielen internationalen Abkommen verankert und er ist auch die Grundlage für eines der ambitioniertesten und erfolgreichsten Friedensprojekte, der Europäischen Union.“ Diese sei sich sehr bewusst, dass die Menschen in der Ukraine auch unsere Werte verteidigen. „Denn am Ende des Tages geht es nicht nur um die ukrainische Identität, sondern es geht insgesamt um unser Modell, zu leben. Darum, dass wir finden, man hat ein Recht, seine Meinung zu sagen, ohne dafür ins Gefängnis geworfen zu werden. Darum, dass wir finden, man darf Regierende kritisieren. Das gehört zur Freiheit der Menschen und es ist gut für eine Demokratie, wenn das passiert.“

Foto: oh/Stadt Hildesheim

Tags: , ,

Ähnliche Artikel

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Messe

Unterhaltung

Küchenstudio

Wurst vom Bauernhof