
Jedes Jahr gedenken am 9. November hunderte Bürgerinnen und Bürger auf Einladung der Stadt Hildesheim am Mahnmal am Lappenberg der Opfer der „Reichspogromnacht“ von 1938. In diesem Jahr wurde die Gedenkstunde darüber hinaus zu einem ganz besonderen Ereignis der Stadtgeschichte, da der Platz am Lappenberg in „Guy-Stern-Platz“ benannt wurde. Der 1922 in Hildesheim geborene und 2023 in den USA verstorbene deutsch-amerikanische Literaturwissenschaftler Guy Stern hatte in der ehemaligen Synagoge am Lappenberg unter anderem seine Bar-Mizwa gefeiert und war 1937 als einziges Mitglied seiner fünfköpfigen Familie in die USA emigriert. Seine Eltern und Geschwister wurden von den Nationalsozialisten deportiert und ermordet. 2012 wurde Stern Ehrenbürger der Stadt Hildesheim. Er engagierte sich sowohl für die kulturellen deutsch-amerikanischen Beziehungen als auch die deutsch-jüdische Versöhnung. Als Holocaustüberlebender setzte er sich unermüdlich für die Werte des Friedens, der Versöhnung und Aufklärung ein.

Sterns Verdienste würdigte auch Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer in seiner Ansprache: „Guy Stern hat trotz allem, was ihm widerfahren ist, nie den Glauben an die Bedeutung von Versöhnung und Erinnerung verloren. Dank seiner warmherzigen und humorvollen Art gelang es ihm immer wieder, Menschen zu berühren und Brücken zwischen verschiedenen Kulturen und Generationen zu bauen. Er war stets bereit, zuzuhören, zu vergeben und zu verstehen – Eigenschaften, die uns heute mehr denn je leiten sollten.“
In seiner Rede zum Gedenken der Opfer der Novemberpogrome 1938 betonte der Oberbürgermeister: „Wir haben uns heute hier am Standort der ehemaligen Synagoge versammelt, um den Opfern zu gedenken – um innezuhalten. Doch dieses Gedenken ist nicht nur ein Rückblick in die Vergangenheit, sondern auch ein Aufruf an uns alle, wachsam zu bleiben. Denn die Gefahr von Intoleranz und Hass, die damals so verheerend war, ist auch heute noch real. Wir blicken heute auf eine Welt, die von Krieg, Leid und Angst gezeichnet ist.“ Beispielhaft nannte Dr. Meyer den drohenden Genozid im Sudan und den Krieg in der Ukraine und Israel. „Gerade heute, in Zeiten wachsender populistischer Strömungen und zunehmender gesellschaftlicher Spannungen, ist es unerlässlich, dass wir uns immer wieder bewusst machen, was auf dem Spiel steht. Wir müssen uns nicht nur gegen Hass und Hetze stellen, sondern auch dafür sorgen, dass unsere Gesellschaft Werte wie Toleranz, Solidarität und Respekt bewahrt. Und das bedeutet auch, Verantwortung zu übernehmen – Verantwortung für die Vergangenheit und Verantwortung für die Zukunft.“
Der Oberbürgermeister schloss seine Rede mit dem Appell, sich aktiv für den Schutz der Demokratie einzusetzen, die Gedenkstätten in Hildesheim zu besuchen und aktiv an der Pflege der städtischen Erinnerungskultur teilzunehmen.
Im weiteren Verlauf der Gedenkstunde sprach Channah von Eickstedt (Vorsitzende Jüdische Gemeinde Hildesheim) das Gebet Kaddisch, Rabbiner Jona Simon hielt eine Ansprache und betete das El male rachamim, die stellv. Superintendentin Anke Garhammer-Paul sprach mit Dechant Marcus Scheiermann ein Friedensgebet, der Internationale Chor sorgte für den musikalischen Rahmen.
Fotos: oh/Stadt Hildesheim
