
Seit 1996 ist der 27. Januar der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik Deutschland anlässlich der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee. Am 27. Januar hatte die Stadt Hildesheim gemeinsam mit dem Bündnis „Ins Licht gerückt“ und der Geschwister-Scholl-Schule zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus in die Nordstadt eingeladen. Nachdem dieser in der Vergangenheit im Rathaus begangen wurde, gab es in diesem Jahr ein völlig neues Format mit unterschiedlichen Stationen von der Martin-Luther-Kirche über den Stolperstein für Emil Hirsch vor dem Haus Peiner Straße 50 bis zum Abschluss in der Geschwister-Scholl-Schule. Mit etwa 250 Gästen unterschiedlichster Generationen stieß das neue Konzept gleich auf große Resonanz und Anteilnahme in der Bevölkerung.

Zu Beginn der Veranstaltung begrüßten Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer und Pastor Lutz Krügener die Gäste an der Martin-Luther-Kirche, an deren Fassade ein Kurzfilm der Geschwister-Scholl-Schule und der Walter-Gropius-Schule in Zusammenarbeit mit dem Theaterpädagogischen Zentrum Hildesheim (TPZ) zum Thema gezeigt wurde. Vlady Bystrov (Klarinette) sorgte für den musikalischen Rahmen.
Im Anschluss ging es zur zweiten Station der Veranstaltung zum Stolperstein für Emil Hirsch in der Peiner Straße 50. Wilfried Duckstein trug aus der Biografie des 1942 im Lager Theresienstadt ermordeten Juden vor, dessen letzter Wohnsitz in der Hildesheimer Nordstadt war. Vor diesem Haus wurde stellvertretend der vielen Opfer des Holocaust gedacht.

Der letzte Programmpunkt fand dann in der Pausenhalle der Geschwister-Scholl-Schule statt. Schulleiter Kay Spiller begrüßte die Gäste, Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer betonte in seiner Ansprache die Notwendigkeit einer lebendigen und vielfältigen Erinnerungskultur, die angesichts der globalen und gesellschaftlichen Entwicklungen auf der Hand liege. „Was aber bedeutet Erinnerung, wenn sich nach über 80 Jahren kaum noch jemand aufgrund eigenen Erlebens erinnern kann“, fragte Dr. Meyer. Einen Anhaltspunkt dafür habe schon der frühere Bundespräsident Roman Herzog, Initiator des Gedenktages, gegeben. Er habe deutlich gemacht, dass es nicht darum gehe, das Entsetzen zu konservieren, sondern darum, Lehren zu ziehen, die auch künftigen Generationen Orientierung bieten, um jeder Gefahr einer Wiederholung entgegenzuwirken. „Wir müssen Parallelen erkennen können, damit wir erkennen, wenn sich Vergleichbares anbahnt“, so der Oberbürgermeister insbesondere auch mit Blick auf aktuell radikale Tendenzen in Deutschland.
„Jüdinnen und Juden müssen auch heute wieder um ihre Sicherheit bangen – das ist angesichts unserer Geschichte unvorstellbar! 42 Prozent der jüdischen Gemeinden in Deutschland waren 2024 von antisemitischen Vorfällen wie Beleidigungen, Drohanrufen oder Schmierereien betroffen. Wie schnell aus ideologischer Anfeindung brutale Gewalt werden kann, erleben Jüdinnen und Juden täglich in Deutschland“, berichtete Dr. Meyer. Dem zunehmenden Rechtsruck in Deutschland gelte es, mit Aufklärungsarbeit, die bereits in den Familien und Schulen ansetzt, zu begegnen. „Wir müssen Werte wie Respekt und Toleranz vorleben und uns gegen jegliche Form der Diffamierung von Menschen wehren – ganz gleich, gegen wen sie sich richtet.“
Auch die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Hildesheim, Channah von Eickstedt, erinnerte an die Gräueltaten der Nationalsozialisten und die Millionen Opfer des Holocaust in Konzentrationslagern wie Auschwitz. Ein von Schülerinnen und Schülern gestalteter Kurzfilm und ein weiterer musikalischer Beitrag von Professorin Jutta Rübenacker an der Violine und Tatjana Prelevic am Klavier rundeten die Veranstaltung ab.
Fotos: Stadt Hildesheim